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Alles neu im Erbrecht – Änderungen im Pflichtteilsrecht


Das Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 bringt wesentliche Änderungen im Pflichtteilsrecht – die Änderungen gelten für Todesfälle ab dem 1.1.2017.

Abstrakt pflichtteilsberechtigt sind Nachkommen sowie der Ehegatte oder eingetragene Partner (Vorfahren sind nicht mehr pflichtteilsberechtigt).

Konkret pflichtteilsberechtigt ist, wer bei gesetzlicher Erbfolge (d.h. ohne Testament) erbberechtigt wäre, nicht enterbt wurde oder nicht auf den Pflichtteil verzichtet hat.

Die Enterbung kann nur erfolgen, wenn ein Enterbungsgrund gegeben ist – das sind: strafbare Handlungen gegen den Erblasser und seine nahen Angehörigen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, die versuchte oder erfolgte Vereitelung des letzten Willens des Verstorbenen, die gegenüber dem Erblasser erfolgte Zufügung groben Leids, die gröbliche Vernachlässigung familiärer Pflichten oder die Verurteilung zu lebenslanger oder zwanzigjähriger Haft wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung.

Erweitert ist nun die Möglichkeit zur Pflichtteilsminderung – sie ist nicht mehr nur bei niemals bestehendem Naheverhältnis, sondern auch dann möglich, wenn es zumindest über einen längeren Zeitraum an einem Naheverhältnis fehlt, das zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht (für die Dauer von 20 Jahren).

Das Pflichtteilsrecht entsteht erst mit dem Tod des Erblassers; das Recht, den Geldpflichtteil zu fordern, verjährt binnen drei Jahren ab Kenntnis der für das Bestehen des Anspruchs maßgebenden Tatsachen und einer absoluten Frist von 30 Jahren ab Tod des Erblassers. Es gibt nun für die Zahlung des Geldpflichtteils verschiedene Stundungsmöglichkeiten; das kann im einem Testament für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren nach dem Tod verfügt werden oder aber auch durch das Gericht im Verlassenschaftsverfahren (die Interessen und die Vermögenslage des Pflichtteilsberechtigten und des Pflichtteilsschuldners sind zu berücksichtigen und zu werten).

Vollkommen neu ist, dass der Pflichtteilsberechtigte Bedingungen und Belastungen zu übernehmen hat (diese sind bei der Bewertung des Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen) – selbst wenn es an der Verwertbarkeit mangelt, soll das nicht schaden.

Der Pflichtteil kann (weiterhin) durch eine Zuwendung auf den Todesfall oder durch eine Schenkung unter Lebenden gedeckt werden und auf den Geldpflichtteil wird alles angerechnet, was der Pflichtteilsberechtigte erhalten hat. Diese Anrechnung – bisher Einrechnung - erfolgt durch rechnerischen Abzug der erhaltenen Werte vom Geldpflichtteil. Die Anrechnung von Vorempfängen, Vorschüssen und Schenkungen ist nun überhaupt vereinheitlicht - sämtliche Schenkungen sind dem Nachlass hinzuzurechnen und davon die einzelnen Pflichtteile zu ermitteln, wobei davon wieder jene Zuwendungen abgezogen werden, die der jeweilige Pflichtteilsberechtigte schon unter Lebenden unentgeltlich erhalten hat (der Umfang der unentgeltlichen Geschäfte ist nun deutlich weiter und umfasst z.B. auch die Vermögenswidmung an eine Privatstiftung), wobei – auch das ist gänzlich neu - die Hinzu- und Anrechnung auch durch letztwillige Anordnung oder schriftliche Vereinbarung mit dem Geschenknehmer erlassen werden kann.

Schenkungen, die gegenüber nicht pflichtteilsberechtigten Personen in den letzten beiden Jahren vor dem Tod des Erblassers erfolgten, können hinzugerechnet werden (auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes, wenn die Schenkung gemacht wurde, als der Erblasser bereits ein pflichtteilsberechtigtes Kind hatte, oder auf Verlangen des Ehegatten oder eingetragenen Partners, wenn die Schenkung während aufrechter Ehe oder Partnerschaft gemacht wurde) maßgeblich ist, wann die Schenkung wirklich gemacht wurde.

Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte werden auf Verlangen eines (abstrakt) Pflichtteilsberechtigten oder Erben weiterhin unbefristet hinzu- und angerechnet. Geschenknehmer, die im Zeitpunkt der Schenkung zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören, aber auf den Pflichtteil verzichtet haben, können ebenfalls die Hinzu- und Anrechnung begehren.

Geschenke sind mit ihrem Wert zu jenem Zeitpunkt, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde, samt Indexierung nach dem VPI auf den Todeszeitpunkt, anzusetzen.