Druckfrisch liegt bei uns der neueste Kodex „Vereinsrecht und Steuern 2024“ (erschienen im Linde Verlag) auf dem Tisch und die Gesetzessammlung lässt für Praktiker im Vereinsrecht kaum Wünsche offen. Neben dem Vereinsgesetz finden sich dort auch alle relevanten Bestimmungen für die Gemeinnützigkeit (sowohl BAO als auch EStG werden in den relevanten Teilen wiedergegeben und sogar die Vereinsrichtlinien, also die Auslegungshilfe für die gemeinnützigkeitsrechtlichen Bestimmungen, ist zu finden, was sehr hilfreich ist). Daher an dieser Stelle eine klare Kaufempfehlung!
Einen Schönheitsfehler gibt es jedoch: Sowohl die Musterstatuten des Innenministeriums als auch jene des Finanzministeriums sind vollständig abgedruckt, was schon einmal die Frage aufwirft, warum zwei Musterstatuten abgedruckt sind, die sich doch in wesentlichen Teilen nicht unterscheiden. Das wäre aber noch halb so wild, würden beide Musterstatuten nicht gleichermaßen sowohl gesetzwidrige als auch sinnlose Passagen enthalten. Eine Kostprobe gefällig?
In beiden Fassungen findet sich bei der Vertretungsregelung (jeweils § 13) zunächst die Regelung, wonach „der/die Obmann/Obfrau den Verein nach außen vertritt“. Es wäre ja zu schön gewesen, hätten die Juristen der Ministerien hier aufgehört zu schreiben, denn dann wäre klar, dass der Obmann durchgängig alleinvertretungsbefugt ist – Punkt. Aber nein. Im Anschluss daran folgt jene unnütze Bestimmung, auf deren Gesetzwidrigkeit und Sinnlosigkeit wir bei jeder uns bietenden Möglichkeit hinweisen, nämlich dass „schriftliche Ausfertigungen zu ihrer Gültigkeit der Unterschrift des/der Obmann/Obfrau und des/der Kassiers/Kassierin bedürfen“ – das Innenministerium setzt noch einen drauf und differenziert in „Geldangelegenheiten („vermögenswerte Dispositionen“)“ und sonstige Ausfertigungen. Hier wird eine ganz offenbar nach außen wirksam sein sollende Beschränkung der Einzelvertretungsbefugnis vorgesehen, nämlich eine keineswegs durchgängig auf alle Rechtsgeschäfte anzuwendende Gesamtvertretung, sondern je nach Art des Rechtsgeschäfts soll einmal der Schriftführer, das andere Mal der Kassier mit unterschreiben, während der Obmann mündlich in aller Seelenruhe über Millionen allein verfügen darf. Abgesehen von der unbeantworteten Frage, was denn eine „Geldangelegenheit“ sein soll, offenbart ein Blick in § 6 Abs 3 VerG Folgendes: „Die organschaftliche Vertretungsbefugnis ist, von der Frage der Gesamt- oder Einzelvertretung abgesehen, Dritten gegenüber unbeschränkbar. In den Statuten vorgesehene Beschränkungen wirken nur im Innenverhältnis.“
Also was jetzt? Darf doch der Obmann immer alleine vertreten und ist die Beschränkung für schriftliche Vertretungsakte nur eine interne Beschränkung? Oder wirkt eine solche Regelung doch – entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut – Dritten gegenüber? Zur Steigerung der Rechtssicherheit trägt die Regelung in den Musterstatuten jedenfalls nicht bei. Und da die Vereinsbehörden derartige Regelungen auch noch unhinterfragt ins Zentrale Vereinsregister (ZVR) eintragen, weiß am Ende niemand, wer nun was machen darf. Ein unbefriedigendes Ergebnis.
Die Musterstatuten enthalten jedoch auch völlig unbegründet und geradezu beiläufig eine wesentliche Vergrößerung der Haftung für Rechnungsprüfer: In § 14 Abs. 2 beider Musterstatuten findet sich die Regelung, wonach den Rechnungsprüfern neben der Prüfung der Finanzgebarung auch „die laufende Geschäftskontrolle“ obliege. Wir haben schon viele Vereine und viele Rechnungsprüfer gefragt, aber noch niemand hat uns erklärt, dass die Rechnungsprüfer eine „laufende“ Geschäftskontrolle durchführen würden. Und auch § 21 Vereinsgesetz nennt ausschließlich die jährliche Prüfung der Finanzgebarung als Pflicht der Rechnungsprüfer und aus gutem Grund keine laufende Kontrolltätigkeit. Alles doch nur juristische Spitzfindigkeit? Ganz gewiss nicht: Üben die Rechnungsprüfer nämlich entgegen ihren statutarischen Pflichten (ja, die Statuten können natürlich die gesetzlichen Vorgaben um zusätzliche Pflichten ergänzen) die laufende Geschäftskontrolle (und das würde ja heißen: so gut wie tägliche!) nicht aus und wird dadurch eine schädigende Handlung des Vorstands oder einzelner Vorstandsmitglieder zu spät oder gar nicht entdeckt, greift die volle Haftung auch bei den Rechnungsprüfern.
Wir könnten diese Liste noch fortsetzen, begnügen uns jedoch mit einem Tipp: Unter https://www.vereinsrecht.at/musterstatuten/ stellen wir unsere eigenen Musterstatuten zur Verfügung. Diese kommen ohne diese Unsinnigkeiten aus, enthalten dafür weitere Regelungen, die tatsächlich für das Vereinsleben sinnvoll und zweckmäßig sind. Und wir werfen gerne einen Blick in Ihre Statuten – der Rotstift liegt schon bereit, um alle sinnlosen oder gar schädlichen Regelungen aus Ihren Statuten zu entfernen. Und bei dieser Gelegenheit können wir uns auch gerne zum Thema „Spendenbegünstigung“ austauschen – natürlich können wir Ihre Statuten auch fit für die Spendenabsetzbarkeit machen, denn die Musterstatuten des Finanzministeriums erweisen sich auch hier als unzureichend.
Interesse geweckt? Dann kontaktieren Sie mich einfach unter maximilian.kralik@h-i-p.at