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Der Verein als sicherer Hafen vor Enteignung und Insolvenz? Vorsicht, Schmähtandler unterwegs!

Ein Gespenst geht um – na gut, nicht in ganz Europa, aber immerhin in Österreich, und auch in Deutschland. Das Gespenst heißt Verein, und um den Hals trägt es ein Taferl mit der Aufschrift „Gründe mich!“ An der Nase geführt wird dieses Gespenst von windigen Beratern, die Menschen, die sich Sorgen um ihr Eigentum machen, eine Vereinsgründung als die ideale Lösung anpreisen (und oft die Statuten dazu gleich um deutlich überhöhte Honorare verkaufen).

Um was geht es? Menschen, die Immobilien ihr Eigentum nennen – eine Eigentumswohnung in Hamburg oder ein Häuschen in der Steiermark – wird erzählt, dass dieses Eigentum im Fall einer Insolvenz (und das kann einem Unternehmer ja passieren) Beute der gierigen Gläubiger würde. Dass in manchen Fällen dies schon deshalb nicht möglich ist, wenn das Unternehmen in Form einer Gesellschaft geführt wird, für deren Schulden Gesellschafter und Geschäftsführer nicht haften (außer er oder sie ist persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaf nur t , also OG oder KG), verstehen diese Berater entweder gar nicht oder sie schummeln sich irgendwie drüber, schließlich wollen sie ja einen Verein verkaufen.

Ein anderes Gschichterl, das oft als Verkaufsargument herangezogen wird, ist eine drohende Enteignungswelle, die aufgrund der hohen Staatsschulden nach der Corona-Pandemie und dem Ukrainekrieg unmittelbar bevorstünde. Staaten würden, so die an uns hergetragene Erzählung, die Pläne für eine breitangelegte Enteignung Privater schon in der Schublade haben, da nur so der Staatshaushalt saniert werden könnte. Alles in allem eine sehr abenteuerliche Geschichte.

Egal, welches dieser Märchen erzählt wird, den Leuten wird dann weisgemacht, wenn sie ihre Liegenschaft in den Verein einbringen (was letztlich nur in Form einer Eigentumsübertragung erfolgen kann) und dieser Verein wiederum der Familie des ehemaligen Eigentümers gestattet, gegen eine symbolische Miete weiter auf dieser Liegenschaft zu wohnen, dann wäre diese Liegenschaft in Sicherheit. Hinsichtlich möglicher Gläubiger mag das schon im Kern stimmen. Aber nicht nur die Gläubiger – auch die ehemaligen Eigentümer könnten nicht mehr auf diese Liegenschaft zugreifen. Denn schließlich ist der Verein eine juristische Person, und das Vermögen dieser juristischen Person ist vom Vermögen der Mitglieder oder des Vorstands fein säuberlich getrennt. Und anders als bei einer GmbH, an der man Anteile hält, die man verkaufen, verschenken oder vererben kann, gibt es an einem Verein keine vermögensrechtlichen Anteile. Die Liegenschaft ist weg, auch wenn der Verein großzügigerweise den ehemaligen Eigentümern gestartet, die Liegenschaft weiter zu benutzen. Genauer: Sie ist nicht weg, sie ist nur woanders, nämlich im Eigentum des Vereins.

Und was diese großartigen Berater überhaupt vergessen: Die Insolvenzordnung (IO) sieht einige Anfechtungstatbestände vor: Verfügungen des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sind von den Gläubigern dann anfechtbar, wenn dem Gegenüber (in dem Fall: dem Verein) die Absicht der Benachteiligung der Gläubiger bekannt war (und natürlich war sie bekannt, sitzt doch der Schuldner selber im Vorstand!) oder zumindest bekannt sein musste. Die Anfechtungsfrist beträgt dann heiße 10 Jahre (bzw. „nur“ 2 Jahre). Und selbst, wenn dem, der das Vermögen übernommen hat, nichts von der beabsichtigten Benachteiligung der Gläubiger bekannt war – eine „Vermögensverschleuderung“ kann immer noch innerhalb eines Jahres angefochten werden, um, wenn der Verein dem ehemaligen Eigentümer, der nun insolvent ist, nicht den vollen Gegenwert für die Liegenschaft bezahlt hat.

Ganz abgesehen davon, dass natürlich höchst fraglich ist, ob es sich bei der Zurverfügungstellung von Wohnraum für die Familie wirklich um einen ideellen Vereinszweck im Sinn des § 1 Vereinsgesetz handelt, und der Verein nicht schon deswegen auflösungsreif wäre, stellt sich doch die Frage: Wie bekommt man die Liegenschaft wieder aus dem Verein heraus? Man stelle sich nur vor, Frau und Herr Ex–Eigentümer sind die einzigen Mitglieder des Vereins, sitzen im Vorstand und verfügen daher nach Belieben über das Vereinsvermögen. Und eines schönen Tages haben beide einen Autounfall und sind tot. Erbrecht nach einem Verein gibt es nicht, und vor allem: der Verein ist ja eben nicht tot. Aber er hat dann wahrscheinlich keine Mitglieder mehr, und Vorstand hat er auch keinen mehr. Also würde die Vereinsbehörde einen Rechtsanwalt als Liquidator einsetzen, und dieser würde über das Vereinsvermögen im Sinn der Liquidationsklausel, die in aller Regel ganz am Schluss der Vereinsstatuten steht, verfügen. Und dort kann eben nicht stehen: im Fall der Auflösung des Vereins kommt das Vereinsvermögen den Kindern der Gründer zu, denn eine solche Bestimmung würde die Vereinsbehörde gar nicht zulassen, weil dies der ideellen Zielsetzung des Vereins widerspräche. Wahrscheinlich steht dort, eh nur so pro forma, dass dann das Vereinsvermögen wohltätigen Zwecken zukommen soll. Und das wird es auch. Irgendjemand wird sich also darüber freuen – die Familie der ehemaligen Eigentümer allerdings nicht.

Anderes Szenario: Die früheren Eigentümer brauchen Geld und wollen die Liegenschaft veräußern. Können sie nicht – sie gehört ja nicht ihnen. Na gut, aber der Verein kann die Liegenschaft veräußern. Das schon, aber wie bekommt man das Geld aus dem Verein heraus? Auf legale Weise nicht, denn das würde den Tatbestand der Untreue (§ 153 StGB) gegenüber dem Verein darstellen. Nachdem das, was schiefgehen kann, irgendwann auch tatsächlich schiefgeht, kann es schon passieren, dass irgendjemandem diese krumme Tour auffällt (man hat ja nicht nur Freunde) und der Staatsanwaltschaft ein Briefchen schreibt.

Natürlich, wenn man Philanthrop ist, kann man auf diese Weise sein Vermögen schon vor allfälligen Gläubigern in Schutz bringen, und es stattdessen der Entwicklungshilfe, einem Tierheim, einem Umweltschutzverein oder den Leuten von Friday For Future zukommen lassen. Nur: darum geht es ja den Eigentümern meistens nicht. Aber etwas loswerden und gleichzeitig weiter haben wollen, das ist noch unmöglicher als die berühmte Quadratur des Kreises. Da sollte man sich schon andere Varianten einfallen lassen, etwa die Einbringung der unternehmerischen Tätigkeit in eine GmbH. Im schlimmsten Fall ist dann die GmbH futsch, nicht aber das Vermögen der Gesellschafter der GmbH.

Und wie ist das mit der drohenden Enteignungswelle? Abgesehen davon, dass es außerhalb so mancher einschlägiger Telegram- oder Signal-Gruppen überhaupt keine Anzeichen dafür gibt, dass auch nur irgendein erstzunehmender Politiker über eine großflächige Enteignung nachdenken würde (ganz abgesehen von fundamentalen verfassungsrechtlichen Einwänden), wäre durch die Liegenschaftsübertragung nicht garantiert, dass damit die Liegenschaft dem staatlichen Zugriff tatsächlich entzogen wäre. Wenn schon der Big-Brother-Staat die große Enteignung beabsichtigt, ist zu bezweifeln, dass durch Verschleierungstaktiken mancher Berater der Staat ausgetrickst werden könnte. Aber in der Blase ist bekanntlich alles möglich. Und ihr Honorar, das haben diese Berater jedenfalls in Sicherheit gebracht …