Die Schweizer nehmen offenbar jeden Sch*** ganz genau, jedenfalls einige Uhrenhersteller. Wie diese Woche medial berichtet [1], hat ein Schweizer Uhrenproduzent einen speziellen Hang zur Genauigkeit und sogar gerichtlich durchgesetzt, dass seine Mitarbeiter:innen dazu verpflichtet sind, für WC-Pausen „auszustempeln“, was im Ergebnis dazu führt, dass die WC-Pausen „einzuarbeiten“ sind. Ob das ein branchenbedingtes Phänomen oder gar weiter verbreitet ist, dürfte gerade Gegenstand von Recherchen sein.
Keine gesetzliche Definition der Pause als Begründung
Das Tribunal Cantonal Neuchâtel jedenfalls hat das Pressemitteilungen zufolge für rechtmäßig befunden. Die Begründung stützt sich auf das schweizerische Arbeitsgesetz, das Arbeitspausen vorsieht, jedoch nicht definiert, was darunter fällt. Das veranlasste das Gericht zu der überraschenden Schlussfolgerung, dass außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Arbeitspausen notwendige WC-Pausen nicht zur Arbeitszeit zählen dürfen. Daher ist die dafür verwendete Zeit konsequenterweise im Nachhinein einzuarbeiten.
Wäre so eine Entscheidung auch in Österreich möglich?
Das österreichische Recht sieht[2] eine verpflichtende Ruhepause von mindestens einer halben Stunde vor, wenn die gesamte Dauer des Arbeitstages mehr als 6 Stunden dauert. Mit anderen Worten: nach spätestens 6 Stunden muss die Arbeitszeit für zumindest eine halbe Stunde unterbrochen werden[3]. WC-Pausen enthält auch das AZG nicht, es finden sich auch im AZG keine Hinweise, wofür die Pause genutzt werden darf.
Das könnte auch hierzulande zum Schluss verleiten, WC-Pausen wären keine Arbeitszeit. Allerdings zu Unrecht. Die österreichische Rechtsordnung bietet durchaus Grundlagen für eine bezahlte, also in die Arbeitszeit fallende WC-Pause. Zunächst kann der Arbeitgeber die WC-Pausen jedenfalls nicht verbieten (das hat das Kantonsgericht Neuchâtel immerhin auch so gesehen). Das lässt sich schon mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht begründen. Nach österreichischem Recht entfällt aber auch der Entgeltanspruch nicht, wenn Arbeitnehmer aus wichtigen Gründen ohne ihr Verschulden für eine „verhältnismäßig kurze Zeit“ keine Arbeitsleistung erbringen können (§ 8 Abs. 3 AngG, § 1154 b Abs. 5 ABGB).
Wie lange der WC-Besuch dauern darf, um eine bezahlte Unterbrechung der Arbeitszeit zu rechtfertigen, hängt natürlich stark vom Einzelfall ab. Eine Verallgemeinerung ist unmöglich. In Deutschland gibt es auch dazu schon Entscheidungen. Jedenfalls in Köln rechtfertigten Toilettenaufenthalte von über 30 Minuten Dauer über den gesamten Tag zusammengerechnet noch keine Lohnkürzung oder sonstige arbeitsrechtliche Sanktionen.[4]
Die Toilettenpause zu nutzen, um etwa Zeitung zu lesen oder, zeitgemäßer – Social-Media-Botschaften anzuschauen oder zu posten, wäre hingegen jedenfalls unzulässig und kann arbeitsrechtliche Sanktionen von der Lohnkürzung bis hin zur Beendigung des Dienstverhältnisses rechtfertigen.
Unfall am WC ist kein Arbeitsunfall
Die WC-Pausen kurz zu halten und auf die unbedingt notwendige Dauer zu beschränken ist auch aus einem anderem Grund anzuraten. Für den WC-Besuch am Arbeitsplatz besteht kein Versicherungsschutz. Denn ein Unfall am WC stellt keinen Arbeitsunfall dar.[5] Anders ist das immerhin für den Weg zur Toilette und von dort wieder zurück zum Arbeitsplatz.[6]
Überwachung der WC-Pausen?
Die Überwachung des WC-Aufenthalts durch Videosysteme, Chipkartensysteme etc. wäre im Übrigen unzulässig, weil damit die Menschenwürde berührt wird. Ausnahmen sind bei begründetem Verdacht rechtswidrigen Verhaltens denkbar. Aber auch dabei muss der Arbeitgeber die am Wenigsten in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingreifenden Maßnahmen setzen und im konkreten Fall auch die Überwachungsmaßnahme vorab ankündigen.[7]
Bei uns gehen die Uhren anders als in der Schweiz, zumindest bezogen auf Toilettenpausen während der Arbeitszeit.
Bei allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen steht Ihnen Mag. Georg Streit (georg.streit@h-i-p.at) mit unserem Arbeitsrechtsteam gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/news/schweiz/gerichtsentscheid-in-neuenburg-wenn-angestellte-bei-der-wc-pause-ausstempeln-muessen.
[2] in § 11 AZG.
[3] Bestimmte Abweichungen sind möglich, die Ruhepause muss aber mindestens 10 Minuten betragen.
[4] AG Köln 6 Ca 3846/09.
[5] z.B. 10 ObS 133/16f; siehe dazu Streit, Unfallversicherungsschutz beim Harnlassen, JMG 2017, 5.
[6] z.B. 10 ObS 79/07a.
[7] Vgl. EGMR 5.9.2017, 61496/08.