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Arbeitsrecht

Money for nothing? (8.10.2020)

Zur Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt aus dem Arbeitsverhältnis

 

Wird ein Arbeitsverhältnis während des laufenden Urlaubsjahrs beendet, steht der Arbeitnehmerin Abgeltung für nicht verbrauchten Urlaub (aliquot im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr) zu. Tritt sie allerdings ohne wichtigen Grund, also unberechtigt aus dem Dienstverhältnis aus (ohne die Kündigungsfrist abzuwarten), gebührt ihr gemäß § 10 Abs 2 Urlaubsgesetz (UrlG) keine Ersatzleistung.

Das wird gemeinhin dadurch gerechtfertigt, dass eine Arbeitnehmerin, die unberechtigt aus dem Arbeitsverhältnis austritt, vertragsbrüchig wird. Durch die Streichung der Urlaubsersatzleistung für diesen Fall sollen Arbeitnehmerinnen vom unberechtigten Auftritt abgehalten werden, wird argumentiert. Und der Arbeitgeber erhält so gewissermaßen einen Ersatz der Kosten, die ihm durch den plötzlichen Entfall der Arbeitsleistung entstehen könnten (wenn auch nur in Höhe der Urlaubsersatzleistung). Bemerkenswert (weil nicht unbedingt selbstverständlich) ist dabei aber, dass einer Arbeitnehmerin bei berechtigter Entlassung sehr wohl (aliquote) Abgeltung des offenen Urlaubsanspruchs aus dem laufenden Urlaubsjahr gebührt.

Die Vereinbarkeit der Regelung über den Entfall der Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt mit dem Unionsrecht wurde in den letzten Jahren in einigen Publikationen in Zweifel gezogen. Denn immerhin gewährt Artikel 31 der Grundrechtecharta wie Artikel 7 der Arbeitszeit-Richtlinie (RL 2003/88/EG) Anspruch auf Jahresurlaub oder Bezahlung einer Vergütung für nicht konsumierten Jahresurlaub. Verfallen kann dieser nicht, wenn der Arbeitnehmer nicht vom Arbeitgeber „durch angemessene Aufklärung“ tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen, wie der EuGH schon ausgesprochen hat. Er geht, wie der EuGH weiters klargestellt hat, auch durch den Tod des Arbeitnehmers, der seinen Urlaubsanspruch nicht mehr konsumieren konnte, nicht unter.

Soll die Arbeitnehmerin tatsächlich auch geschützt werden, wenn sie vertragsbrüchig wird? Der OGH weist zurecht darauf hin, dass eine Arbeitnehmerin sogar finanzielle Ansprüche gegen den Arbeitgeber generieren könnte, wenn sie Urlaub nicht konsumiert und dann unberechtigt aus dem Dienstverhältnis austritt. Das widerstrebt dem OGH offenkundig, wenn er die alte römische Weisheit ex iniuria ius non oritur (nicht amtliche Übersetzung: „Aus Unrecht entsteht kein Recht.“) in Erinnerung ruft. Dennoch hat er den EuGH um eine Vorabentscheidung dazu ersucht. Bemerkenswert ist, dass der OGH die zweite Frage an den OGH mit „wenn diese Frage verneint wird“ einleitet. Kann ein allfälliger Anspruch auf Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt davon abhängen, ob der Urlaubsverbrauch vor dem Austritt möglich war? Und wie soll das geprüft werden, will der OGH für diesen Fall vom EuGH wissen. Ob es auch der EuGH so sieht, dass aus Unrecht nicht Recht werden darf, werden wir wohl erst in einiger Zeit erfahren. Zumindest „chicks for free“ wird es aber sicher nicht auch noch geben. Bis dahin empfehlen wir Arbeitnehmer*innen, diese sehr offensive – und erstaunlicher Weise, wie eine nicht ganz kleine Anzahl an Entscheidungen dazu zeigt, gar nicht so selten angewandte – Strategie der Aufbesserung der eigenen Finanzen nicht einzusetzen (auch wenn es heißt „That aint workin thats the way you do it“).