Onlinebeitritt zum Verein – gelten die Regeln für Webshops?
Fast alle Vereine werben auf ihrer Website um neue Mitglieder. Viele stellen dort ein Beitrittsformular bereit. Bei manchen Vereinen erinnert der Beitritt sogar stark an den Einkauf im Internet: Mitgliedsart wählen, Personalien eingeben, Zahlungsmethode bestimmen, die Statuten mit einer Checkbox akzeptieren, Bestellbutton klicken – es folgt ein Willkommensgruß per E-Mail.
Gilt für einen online erklärten Vereinsbeitritt das Fernabsatzrecht, das Verbraucher vor dem übereilten Abschluss von Verträgen schützen soll?
Rechtlich gesehen funktioniert der Beitritt zu einem Verein so: Der Interessent erklärt gegenüber dem Verein, dass er beitreten möchte. Der Verein (genauer: die für den Verein vertretungsbefugten Personen, meist sind das Obmann oder Obfrau) antworten dem Bewerber, dass sein Antrag angenommen wurde. Mit diesen beiden Willenserklärungen wird ein Beitrittsvertrag abgeschlossen, in dem sich das neue Mitglied den Vereinsstatuten unterwirft. Sofern die Statuten keine besonderen Formvorschriften verlangen, können Beitrittserklärung und Annahme auch online erfolgen. Dafür kommen nicht nur E-Mails, sondern auch Webformulare in Betracht, die einen Beitritt per Schaltfläche ermöglichen.
Ein solcher Onlinebeitritt kann dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) unterliegen, das umfangreiche Informationspflichten und auch ein Rücktrittsrecht für Verbraucher vorsieht. Voraussetzung ist, dass der Verein dem Beitrittswerber gegenüber als Unternehmer agiert, dass das neue Mitglied ein Entgelt leisten muss, und dass der Beitritt im „Fernabsatz“ abgewickelt wird.
Das FAGG gilt nicht für jedes Geschäft, das über das Internet abgeschlossen wird, sondern nur für „Fernabsatzverträge“. Das sind Vereinbarungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen werden, wobei bis einschließlich des Zustandekommens des Vertrags ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden.
Entscheidende Kriterien dafür, dass der Vereinsbeitritt dem Fernabsatzrecht unterliegt, sind:
- Der Beitrittswerber tritt dem Verein als Verbraucher bei.
- Der Verein tritt ihm bei der Aufnahme als Unternehmer gegenüber.
- Die Mitgliedschaft verpflichtet den Beitrittswerber, ein Entgelt zu leisten.
- Der Onlinebeitritt erfolgt im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems.
Die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des FAGG ist, dass bei einem Vertragsabschluss ein Verbraucher einem Unternehmer im Sinn des Konsumentenschutzrechts gegenübersteht. Der Beitrittswerber handelt nicht nur dann als Verbraucher, wenn er gar kein Unternehmen betreibt, sondern auch, wenn die angestrebte Vereinsmitgliedschaft nicht zum Betrieb seines Unternehmens gehört. Eine Architektin etwa, die aus privatem Interesse einem Historikerverein beitreten möchte, tut das als Verbraucherin.
Der Verein wiederum muss dem Mitglied gegenüber als Unternehmer auftreten. Es genügt dafür nicht, dass der Verein auf dem Markt wirtschaftlich werthaltige Leistungen anbietet. Ganz generell lässt sich sagen, dass der Verein einem Verbraucher bei dessen Aufnahme als Mitglied dann als Unternehmer gegenübertritt, wenn der Interessent in erster Linie zur Erzielung wirtschaftlicher Vorteile, z.B. zur Inanspruchnahme von Leistungen des Vereins, beitritt.
Das FAGG kann für den Onlinebeitritt nur gelten, wenn sich das neue Mitglied durch seinen Vereinsbeitritt zu Gegenleistungen an den Verein verpflichtet. Das ist z.B. dann der Fall, wenn es Beitrittsgebühren und/oder Mitgliedsbeiträge zu entrichten hat.
Selbst dann, wenn die gerade genannten Bedingungen erfüllt sind, ist nicht jeder Vereinsbeitritt per E-Mail oder Webformular ein Fernabsatzgeschäft. Dazu muss ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorliegen. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob der Unternehmer seinen Vertrieb organisatorisch – zumindest auch – auf einen regelmäßigen Absatz „auf Distanz“ ausgerichtet hat. Gemeint sind damit im Kern Webshops, telefonische oder automatisierte Bestellmöglichkeiten. Die jüngeren Gerichtsentscheidungen zeigen, dass ein solches Vertriebssystem über diese Beispiele hinaus relativ rasch vorliegt.
Der Vereinsbeitritt ist in jenen Fällen ein „Fernabsatzvertrag“, in denen das Beitrittsersuchen quasi automatisch von der Website bearbeitet wird: Die Mitglieder füllen ein Formular aus, werden zu einem Bezahldienstleister weitergeleitet, nach erfolgter Zahlung erhalten sie ein automatisiert erstelltes Willkommensmail. Der Vereinsvorstand stimmt dabei schon im Vorhinein dem Beitritt jedes Beitrittswerbers zu.
Auch dann, wenn der Vereinsvorstand (der nach so gut wie allen Vereinsstatuten über die Aufnahme von Mitgliedern entscheidet) die online eingelangten Beitrittsgesuche individuell in einer Sitzung behandelt und die neuen Mitglieder per E-Mail von der Aufnahme verständigt, ist die Geltung des FAGG anzunehmen. Eine standardisierte Abwicklung ist nämlich nicht Voraussetzung für ein Fernabsatzgeschäft. Auch individuelle Telefonate und E-Mails vor der Annahme der Beitrittserklärung schließen einen „Fernabsatzvertrag“ nicht aus, weil beide Parteien weiterhin nicht gleichzeitig körperlich anwesend sind.
Das FAGG gilt dann nicht, wenn das Onlineformular lediglich der Interessensbekundung und ersten Kontaktaufnahme mit dem Verein dient und sich der Interessent damit bloß Informationsmaterial (darunter auch ein Beitrittsformular) zusenden lassen kann. Das Onlineformular darf dabei nur eine allgemeine Anfrage erlauben. Der Abschluss einer konkret definierten Mitgliedschaft mit konkret verbundenen Leistungen muss dann im Nachhinein über individuelle Kommunikation mit dem Verein erfolgen.
Wenn ein Verbraucher über die Website eine bereits definierte Mitgliedschaft beantragen kann (und höchst selten werden die Bedingungen einer Mitgliedschaft individuell ausgehandelt), ist das entscheidende Kriterium für die Geltung des FAGG somit, ob der Verein dem Beitrittswerber gegenüber als Unternehmer auftritt; und damit: ob die angestrebte Mitgliedschaft überwiegend der gemeinschaftlichen Verfolgung von ideellen Interessen oder der Konsumation von (wirtschaftlich werthaltigen) Leistungen des Vereins dienen soll, die auch von anderen kommerziellen Anbietern gegen Entgelt erbracht werden.
Wenn der Vereinsbeitritt nicht dem FAGG unterliegt, kann dennoch das KSchG gelten. Nach § 1 Abs 5 KSchG sind wesentliche Teile des Konsumentenschutzrechts auch auf den Beitritt zu und die Mitgliedschaft bei Vereinen anzuwenden, wenn diese zwar von ihren Mitgliedern Beiträge oder sonstige Geldleistungen verlangen, ihnen aber nur eingeschränkte Mitgliedschaftsrechte einräumen und die Mitgliedschaft nicht geschäftlichen Zwecken dient. Das ist dann der Fall, wenn Mitglieder zwar einen Mitgliedsbeitrag bezahlen, nicht aber die vollen Mitgliedsrechte haben, etwa weil sie als außerordentliche Mitglieder kein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung haben. Auch das KSchG sieht ein Rücktrittsrecht vor. Dieses Recht hat der Verbraucher aber u.a. dann nicht, wenn er das Geschäft selbst angebahnt hat – und das ist der Fall, wenn er – auch auf eine Werbung hin – die Vereinswebsite aufruft und dort das Beitrittsformular ausfüllt.
Wenn Vereine mit der Anwendbarkeit des FAGG rechnen müssen, sollten sie den Onlinebeitritt dessen Vorschriften entsprechend gestalten. Andernfalls könnten sie nachträglich, z.B. mit einem auch nach Monaten erklärten Rücktritt vom Vereinsbeitritt, überrascht werden. Das Fernabsatzrecht sieht vor:
- Den Beitrittswerbern ist vor der Abgabe ihrer Beitrittserklärung eine Vielzahl an Informationen zur Mitgliedschaft bereitzustellen – die Detailvorgaben stehen in § 4 FAGG.
- Unmittelbar vor der Abgabe der Beitrittserklärung müssen wesentliche Informationen zusammengefasst dargestellt werden: darunter die Art der Mitgliedschaft, die Zahlungspflichten, die Laufzeit der Mitgliedschaft und die Kündigungsbedingungen.
- Der Beitritt sollte über eine Schaltfläche erfolgen, aus deren Beschriftung eindeutig die Zahlungspflicht des neuen Mitglieds hervorgeht, z.B. „zahlungspflichtig abschließen“ oder „zahlungspflichtig beitreten“.
- Der Erhalt der Beitrittserklärung ist dem Beitrittswerber unverzüglich zu bestätigen.
- Die in § 4 FAGG genannten Informationen muss der Verein dem neuen Mitglied spätestens vor dem Beginn der Mitgliedschaft auf einem „dauerhaften Datenträger“, z.B. in einem E-Mail, überlassen.
- Das neue Vereinsmitglied hat das Recht, binnen 14 Tagen von der Mitgliedschaft zurückzutreten. Darüber muss es korrekt belehrt werden, andernfalls verlängert sich die Rücktrittsfrist um weitere zwölf Monate.