Welch wunderbare Bezeichnung: „COVID-19-Lockerungsverordnung“! Veronika, der Lenz ist da! Aber gelockerte Fesseln heißt ja nicht, dass wir dieser schon gänzlich ledig wären. Das Betreten öffentlicher Orte ist also nicht mehr verboten, aber es gilt die 1- Meter-Abstand-Regel, in geschlossenen Räumen außerdem Maskenpflicht. Zwar sind Veranstaltungen mit mehr als 10 Personen untersagt (dazu zählen auch „geplante Zusammenkünfte“, weiters Kultur-, Unterhaltungs- und Sportveranstaltungen, Filmvorführungen, Ausstellungen, Kongresse); erlaubt sind aber nicht nur Veranstaltungen im privaten Wohnbereich, sondern auch Versammlungen nach dem VersammlungsG sowie unbedingt notwendige Zusammenkünfte zu beruflichen Zwecken. Wo gehören da die Vereinsversammlungen hin? Nach § 10 VereinsG gilt für von einem Verein abgehaltene Versammlungen das VersammlungsG. Logische Konsequenz: die Grenze von 10 Personen gilt nicht für Versammlungen von Vereinsorganen – in erster Linie denken wir dabei natürlich an Mitgliederversammlungen.
Aber ist der Ort, an dem die Mitgliederversammlung stattfindet, ein „öffentlicher Ort“? Sicherlich dann, wenn er (derzeit wenig wahrscheinlich) in einem Wirtshaus-Saal stattfindet, durch den vielleicht andere durchgehen können, der nur durch den Schankraum erreichbar ist, wo man am Weg zum WC die Wege anderer Wirtshausbesucher kreuzt. Eigene Räumlichkeiten des Vereins sind sicher kein öffentlicher Ort, und ebenso wenig eine gemietete Räumlichkeit, die, samt notwendigen Nebenräumen, ausschließlich dem Verein für seine Versammlung zur Verfügung steht, in die ausschließlich die Geladenen Zutritt haben (der sinnvollerweise auch kontrolliert wird). Das hilft aber nicht viel.
Denn: ist die Abstands- und Maskenpflicht nicht in § 10 Abs 4 der Verordnung für Vereinsversammlungen vorgesehen ? Trotz etwas unklarer Formulierung: wohl ja. Denn gemäß Abs 2 gelten als Veranstaltung auch „geplante Zusammenkünfte“, und das ist eine Vereinsversammlung ja. Und „beim Betreten von Veranstaltungsorten gemäß Abs. 1“(was unsinnig ist – in Abs. 1 ist keine Rede von Veranstaltungsorten) ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Babyelefanten (nein, so steht‘s nicht dort, aber das scheint ja für uns Kinder die neue Maßeinheit zu sein) einzuhalten, in geschlossenen Räumen außerdem Maskenpflicht. (Wir sind ja schon gespannt, wann die ersten Masken in Gestalt eines Babyelefantenkopfs auftauchen …)
Außerdem muss pro Person eine Fläche von 10m2 zur Verfügung stehen.
Aber egal, wie man es liest – eines ist sicher: Der Verein hat gegenüber seinen Mitgliedern Schutz- und Sorgfaltspflichten. Bis auf weiteres wird es wohl auf jeden Fall geboten sein, auch im Vereinsbereich die allgemeinen Sicherheitsbedingungen zu respektieren. Der Verein sollte also jedenfalls – schon in der Einladung! – seine Mitglieder auf die Einhaltung des 1-Meter-Abstands aufmerksam machen, und muss auch während der Versammlung darauf schauen, dass sich die Leute daran halten. Ebenso wird er (sofern es keine Freiluftveranstaltung ist) die Versammlungsteilnehmer an das Tragen der Gesichtsmasken erinnern, vielleicht selbst Ersatzmasken zur Verfügung stellen, jedenfalls aber Personen ohne Maske den Zutritt zum Versammlungslokal verweigern.
Wenn‘s blöd hergeht und jemand kommt mit einer Infektion aus der Versammlung heraus (Beweisbarkeit vorausgesetzt – aber denken wir nur an die berüchtigte Bar in Ischgl), ist der Verein als solcher in der Haftung und die für die Durchführung der Versammlung verantwortlichen Vorstandsmitglieder ebenso – und zwar sowohl zivil- wie auch strafrechtlich. Und da wir einerseits nicht wissen, wie die Polizei die Verordnung liest und andererseits die Polizei bei einer Menschenansammlung von einem konkreten Infektionsrisiko ausgehen wird, ist nicht auszuschließen, dass die Polizei eine Versammlung, die diese Minimal-Hygienebedingungen nicht einhält, auflöst.
Also, kompakt:
Für Vereinsversammlungen (Mitglieder, Vorstand, etc.) gilt die 10-Personen- Begrenzung nicht. Für rein gesellige, von einem Verein veranstaltete, Anlässe aber sehr wohl!
Jedenfalls aber 1m Abstand, und in geschlossenen Räumen, egal ob öffentlich oder nicht, Masken.
Pro Person eine Fläche von 10m2 zur Verfügung.
Dann vielleicht doch verschieben oder virtuell? Was sind die Alternativen zur physischen Vereinsversammlung?
Wenn‘s nicht unbedingt sein muss, dann muss die Mitgliederversammlung in diesem Jahr gar nicht stattfinden, so das gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, das hier eine Abweichung von § 5 Abs. 2 erster Satz VereinsG (nach dem Mitgliederversammlungen zumindest alle 5 Jahre stattfinden müssen) bringt. Das gilt natürlich auch, wenn die Statuten eine kürzere Frequenz der Mitgliederversammlung vorsehen.
Noch komfortabler haben es größere Vereine, denn wenn für eine Versammlung mehr als 50 Personen teilnahmeberechtigt sind (es reicht also die abstrakte Teilnahmeberechtigung, und nicht, wie viele Leute erfahrungsgemäß kommen), dann kann die Versammlung überhaupt bis zum Jahresende 2021 verschoben werden.
Aber gibt es Fälle, in denen die Versammlung doch sein muss? Ja, wenn die Funktionsperiode des Leitungsorgans abläuft. Denn diese wird von der Sondergesetzgebung nicht verlängert. Nun kann man zwar mit der Vakanz von Positionen, mit denen keine Vertretungsmacht verbunden ist, recht und schlecht leben (der Vorstand wäre dann zwar möglicherweise nicht statutenkonform besetzt, aber die Vereinsbehörde würde das nicht wissen, da diese Personen ohnedies nicht im ZVR stehen), der Verlust der vertretungsbefugten Vorstandsmitglieder trifft den Verein aber hart: er ist dann nicht mehr handlungsfähig, kann keine Rechtsgeschäfte (Verträge!) mehr abschließen, kann keine Förderungen beantragen, keine Dienstverträge abschließen oder beenden und niemanden zur Kurzarbeit anmelden.
Da bleibt dann nur mehr – kann oder will man keine physische Mitgliederversammlung abhalten – der Ausweg der virtuellen Mitgliederversammlung (Details dazu in unserem Blog: „Die virtuelle Vereinsversammlung – alle Details zur Durchführung“). Es muss ja nicht notwendigerweise eine komplette Generalversammlung stattfinden; das Wichtigste und Unaufschiebbarste wäre wohl die Vorstandswahl, auf die man sich beschränken könnte. Und das wiederum könnte die Durchführung organisatorisch wesentlich erleichtern – ob man sich nun einer Videokonferenz, einer Telefonkonferenz, einem Umlaufbeschluss per E-Mail oder, ganz old school, der Briefwahl bedient.
Zu betonen ist: All diese nicht-physischen Alternativen sind nur dann in Ordnung, wenn nicht nur die allgemeinen Grundsätze für Mitgliederversammlungen (natürlich auch Vorstandssitzungen) laut Statuten eingehalten werden, sondern wenn alle Teilnahmeberechtigten auch in der Lage sind teilzunehmen. „Gleichwertigkeit“ heißt das Zauberwort.
Eine Idee hätten wir noch – die funktioniert allerdings nur, wenn das Leitungsorgan noch im Amt ist: Dieses könnte ein Vorstands- oder sonstiges Mitglied mit einer (rechtsgeschäftlich erteilten) Vollmacht ausstatten, den Verein rechtsgeschäftlich zu vertreten. Sinnvollerweise wird man eine solche Vollmacht schriftlich errichten. Diese Vollmacht kann auch inhaltlich oder betragsmäßig begrenzt werden. Dann ist wenigstens eine gewisse Handlungsfähigkeit des Vereins gewahrt, was aber nichts daran ändern würde, dass der Vorstand nicht statutengemäß besetzt ist, dass im ZVR ein abgelaufener Vorstand aufscheint, und dass das irgendwann auch die Vereinsbehörde merkt. Die ist derzeit zwar auch nicht so schnell wie sonst, aber irgendwann wird sie den Verein doch auffordern, einen neuen Vorstand bekanntzugeben. Bleibt der Verein dann säumig, so droht letztlich die Auflösung.